Kuba: Geschichtsstunde in Trinidad
Von La Habana aus geht es weiter nach Trinidad (wohlgemerkt, die Stadt auf Kuba, nicht die Insel im Ozean). Wäre ich alleine auf Kuba gewesen hätte ich vermutlich die gesamte Zeit in La Habana verbracht – was einmal mehr zeigt, dass es sich lohnt, eine Reisebegleitung zu haben, denn Trinidad ist die Reise wirklich wert. Außerdem bekommen wir auf dem Weg dorthin ein wenig mehr von Kuba zu sehen.
Trinidad ist eine recht geschichtsträchtige Stadt und wurde unter anderem von dem Humanisten Hernán Cortés als Ausgangsbasis für seine Eroberung Mexikos genutzt. Nachdem sich die Hoffnung, in der Nähe der Stadt Gold zu finden, als Illusion erwiesen hatte, setzte man andere Akzente in der Ökonomie und handelte stattdessen erst mit Sklaven und dann mit Zucker. Nachdem diese beiden Ressourcen nicht mehr handelsfähig waren, wurde Trinidad zu der Touristenstadt, die sie heute ist. Der Handel beschränkt sich seitdem hauptsächlich auf Souvenirs, sehr zur Freude der schwarzen Bevölkerung.
Die Apostel der Indianer
An dieser Stelle vielleicht ein wenig etwas zu der Geschichte Kubas. Wie Amerika auch wurde Kuba von Christopher Kolumbus entdeckt – auch hier sehr zur Freude der Ureinwohner, die sich zuvor ihrer Existenz vermutlich nicht bewusst gewesen waren. Glücklicherweise wurden sie rasch im Rahmen einer Eroberung zivilisiert. Diese Zivilisierung war derartig erfolgreich, dass selbst die katholische Kirche, die ja ansonsten auch nicht gerade zart besaitet ist, sich für ein Ende der Unterdrückung der Indianer einsetzte. Überraschenderweise waren diese Bemühungen, besonders dank des Dominikaners Bartolomé de Las Casas (der daher den Beinamen „Apostel der Indianer“ erhielt), tatsächlich zumindest in Teilen erfolgreich.
Kuba wurde im 17. Jahrhundert in bester Anno 1602-Manier hauptsächlich als Zwischenstation für Schiffe auf dem Weg in die „Neue Welt“ oder auf dem Weg zurück in die alte Welt benutzt. Neben (oder vielmehr: auf) den Schiffen kamen in dieser Zeit auch Sklaven aus Afrika nach Kuba.
Das Rechtssystem erlaubte den Sklaven eigenen Besitz, die Möglichkeit sich und die eigene Familie damit freizukaufen, die freie Wahl eines Ehepartners und sogar die Suche nach einem neuen Herren. Sklaven konnten sich zu Vereinigungen, sogenannten cabildos, zusammenschließen, die von Schwarzen gleicher ethnischer oder ähnlicher kultureller Herkunft gebildet wurden. Diese Institution ermöglichte ihnen, afrikanische Kulturelemente zu bewahren und weiterzugeben […] – Wikipedia
Ganz knapp an der Unabhängigkeit vorbei
Um die Einnahmen aus dem Sklavenhandel ein wenig aufzubessern, wurde Kuba gerne auch zum Schmuggel und zur Piraterie genutzt. Insbesondere letzteres war der britischen Krone ein Dorn im Auge, die Kuba daraufhin 1762 einnahm (also – nicht die Krone, sondern britische Soldaten). Glücklicherweise konnte Spanien die Insel im Tausch gegen Florida zurückerhalten (erfundener Fakt am Rande: Deshalb gibt es sowohl in Paris als auch in Florida ein Disneyland, auf Kuba hingegen nicht). Innerhalb der folgenden Jahre kam es auf Kuba aus naheliegenden Gründen immer wieder zu Sklavenaufständen, die letztlich in einem rund 30-jährigen Guerillakrieg und beinahe sogar in kubanischer Unabhängigkeit mündeten.
Doch statt unabhängig zu werden wurde Kuba in den Spanisch-Amerikanischen Krieg verwickelt und an dessen Ende den USA zugesprochen. So close. Von 1898 bis 1902 gehörte Kuba damit zu den USA, bis es 1902 zumindest auf dem Papier unabhängig wurde. Allerdings sicherten sich die USA durch einen Zusatzartikel (das sogenannte Platt-Amendment) in der kubanischen Verfassung das Recht zu, bei Gefährdung von US-Interessen militärisch intervenieren zu dürfen. Da die Interessen der kubanischen Bevölkerung nahezu zwangsläufig denen der USA zuwiderliefen, nutzten diese das Platt-Amendment mit gebotener Regelmäßigkeit, bis am Ende eigentlich alle wichtigen Entscheidungen in der amerikanischen Botschaft gefällt wurden.
Ein Rechtsanwalt und 82 Guerilla stürzen die Regierung
Nachdem in der Folge der ein oder andere Diktator an die Macht kam, trat 1953 der Rechtsanwalt Fidel Castro an die Spitze des Widerstandes. Dessen erster Versuch einer Revolution endete erst vor Gericht – wo dann auch der legendäre Satz „Die Geschichte wird mich freisprechen“ fiel – und dann im Gefängnis. Tatsächlich freigesprochen wurde Castro zwei Jahre später dann allerdings nicht von der Geschichte sondern von Fulgencio Batista Zaldívar, also genau dem Mann, den Castro gerne stürzen wollte. Was sich im Nachhinein als eine Fehlkalkulation des Diktators herausstellte, denn Castro kehrte nach einem kurzen Exil in den USA und in Mexiko mit 82 weiteren Guerillas zurück nach Kuba. Vier Jahre später war es dann soweit: 1959 floh Batista selbst ins Exil und Castro wurde neuer Ministerpräsident.
Wie das so ist, mussten nach der Revolution natürlich erst einmal Köpfe rollen, in diesem Fall die von rund 500 Anhängern der Batista-Regierung. Um es kurz zu machen: Nach und nach konnten sich Castro und die Revolutionsbewegung des 26. Junis (i.e. die Guerilla) mehr und mehr Einfluss und Rückhalt in der Bevölkerung
sichern, wobei sie zeitgleich durch immer weitreichendere Enteignungen die USA gegen sich aufbrachten – mit den bekannten Folgen: Kuba-Krise und Schweinebucht-Invasion.
Neuausrichtung gen Osten
Leider funktionierte das Wirtschaftssystem auf Kuba nicht ganz so, wie sich das insbesondere Che Guevara vorgestellt hatte, was die Insel in immer größere Abhängigkeit zur Sowjetunion brachte. Dort fluppte es mit der Wirtschaft wie man weiß auch ja auch nicht so ganz, wie man sich das vorgestellt hatte – mit der ebenfalls bekannten Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion. Das wiederum stürzte Kuba in größte Probleme:
Die Zuckerernte sank von sieben Millionen Tonnen (1992) auf 3,3 Millionen Tonnen (1995). Das Importvolumen reduzierte sich auf ein Fünftel [des] Wertes vor der Krise. Der private Autoverkehr kam wegen Benzinmangels nahezu vollständig zum Erliegen. Das Gesundheitswesen konnte seine Grundversorgung aufgrund des Medikamenten- und Materialmangels kaum noch aufrechterhalten. Die Versorgung mit Lebensmitteln über staatliche Verkaufsstellen beschränkte sich nur noch auf ein absolutes Minimum. Zahlreiche zuvor allgemein verfügbare Produkte waren ab sofort nur noch auf dem Schwarzmarkt gegen Dollar erhältlich. Die „Revolution“ schien am Ende angekommen zu sein. […] Das Bruttoinlandsprodukt sank bis 1993 um mindestens 40 %. – Wikipedia
Mittlerweile steht die kubanische Wirtschaft wieder etwas besser da, nicht zuletzt dank des Tourismus‘ und der Hilfe von el mejor amigo (so steht es zumindest auf den Propaganda-Plakaten) Hugo Chávez aus Venezuela. Allerdings drängt sich nach einem Besuch auf Kuba und der Lektüre des Wikipedia-Artikels der Eindruck auf, dass der Sozialismus sich auch in seiner letzten Hochburg dem Ende zuneigt – oder sich selbst modernisiert, je nachdem, welche Perspektive man gerne einnehmen möchte.
Ein Spielball der Weltmächte
Ich denke, man kann aus der Geschichte Kubas zwei wichtige Schlussfolgerungen ziehen. Erstens: Lasse niemals den Mann frei, der dein Regime stürzen möchte. Und zweitens: Seit seiner „Entdeckung“ ist die Kuba Spielball stärkerer Mächte gewesen, meist zum Nachteil der Bevölkerung. In diesem Sinne ist die Allegorie des Taxifahrers aus meinem ersten Bericht nur begrenzt richtig. Kuba ist nicht nur das Kind, das von seinem Vater immer wieder geschlagen wurde, sondern hat zuvor auch von dessen Vater, einigen entfernten Verwandten und zufällig vorbeikommenden Passanten Prügel einstecken dürfen. Geht es nach der Statistik kann die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen also nur begrenzt positiv betrachtet werden – aber wo wären wir, wenn alles nach Statistik ginge?