Mexiko: Weihnachten in Guadalajara
Für mich selbst überraschenderweise verbringe ich die Weihnachtstage in Guadalajara (den Namen der Stadt spricht man übrigens ähnlich aus wie den der Worcestershiresauce: Möglichst schnell und in der Hoffnung, dass die anderen auch nicht genau wissen, wie es heißen soll). Bei Guadalajara handelt es sich um die zweitgrößte Stadt Mexikos, allerdings steht sie mit 1,5 Millionen Einwohnern (4,5 im Ballungsraum) deutlich hinter Mexico City zurück. Die Stadt liegt etwas weiter nördlich als Puebla (aber noch nicht so weit, dass man Angst um seine Sicherheit haben müsste) und deutlich weiter westlich. Nach kaum mehr als 10 Stunden Busfahrt erreiche ich den Busbahnhof der Stadt, wo sich eine mexikanische Familie das letzte Taxi mit mir teilt. Gegen Mitternacht erreiche ich mein Hostel in der Nähe der Kathedrale.
Weihnachten wird in Mexiko ähnlich gefeiert wie in Deutschland – es ist ein Familienfest im besten Sinne, was sich am nächsten Tag (dem 26. Dezember) besonders an den leeren Straßen und den vollen Kirchen bemerkbar macht. Im Gegensatz zu Deutschland herrschen in Guadalajara allerdings paradiesische Temperaturen von rund 20 Grad bei schönstem Sonnenschein. Nun gut – nicht immer, zwischendurch regnet es auch kurz, aber es ist für mich definitiv das erste Weihnachtsfest im T-Shirt. Man muss den Mexikanern aber zugestehen, dass sie ihr Möglichstes tun, um weihnachtliche Stimmung zu verbreiten. Ähnlich wie in den USA gibt es Häuser, die von Türschwelle bis Dachfirst mit unzähligen Lichtern in verschiedensten Größen, Farben und Blinkgeschwindigkeiten (ergo: Nervigkeitsfaktor) geschmückt sind. Auch die vier Plätze, die die Kathedrale umgeben, sind in ein Lichtermeer getaucht. Auf einem gibt es, wie in Puebla auch, natürlich eine Schlittschuhbahn. Da nicht jeder Mexikaner mit dem Konzept von Eis in großen Mengen vertraut ist, freuen sich besonders Kinder über Stützen, die – typisch für die sympathische mexikanische Besessenheit mit Animationsfilmen – in Form von Olaf aus „Frozen“ daherkommen.
Weiße Kleider zu Weihnachten
Tagsüber sind die Plätze allerdings vor allem eins: sonnig.
Und voller Tauben. Sehr zur Freude der (fast ebenso zahlreichen) kleinen Kinder bevölkern sie den Platz an manchen Stellen in ähnlicher Menge wie angeblich auf dem Markusplatz in Venedig. Wo gerade keine Tauben oder kleinen Kinder herumlaufen, lassen sich Touristinnen von Mariachis besingen. Was durchaus seine Berechtigung hat, denn schließlich kommt die Mariachi-Musik (laut Wikipedia) aus Guadalajara. Wer sich nicht draußen in der Sonne herumtreibt und besingen lässt, betet oder beichtet in der Kathedrale. Mexikanische Kirchen sind ohnehin meistens voller als deutsche, aber an Weihnachten natürlich bis auf den letzten Platz besetzt. Außerdem scheint es eine Tradition zu geben, bei der Mädchen in weißen Kleidern (und Jungs in Mini-Anzügen) in die Kirche gehen, aber der Hintergrund ist mir nicht ganz klar. Vielleicht sieht es einfach nett aus.
Auf nach Tequila!
Abgesehen von der Kathedrale und den zentralen Plätzen ist die Stadt allerdings wie ausgestorben, so dass ich den zweiten Weihnachtstag für eine Tour nach Tequila nutze (die sinnigerweise Tequila-Tour heißt, was man, wie sich zeigt, auf zwei unterschiedliche Weisen interpretieren kann). Los geht es um 9 Uhr, die erste Tequila-Destillerie erreichen wir gegen halb elf. Kurz vor zwölf habe ich bereits vier Tequila intus und eine Menge gelernt. Tequila wird aus ausschließlich aus der blauen Agave azul hergestellt (was mir als eine sehr viel bessere Verwendung für Agaven erscheint, als Zuckerersatz daraus zu fabrizieren). Rund neun bis zehn Jahre muss die Agave wachsen, bevor sie geerntet werden kann – und selbst dann wird lediglich das „Corazon“ (Herz) der Agave verwendet. Die schönen blauen Blätter spielen bei der Herstellung keine Rolle, sondern werden zerrupft und als natürlicher Dünger genutzt.
Der Tequila-Fachmann Pepito (oder, wie er laut Aussage unser Führerin lieber genannt wird: Don Pepe) hat sichtlich Spaß uns gegen ein kleines Trinkgeld zu erklären, wie die Blätter von der Frucht getrennt werden. Ich hingegen habe größten Spaß daran, unzählige Fotos von Agavenfeldern zu schießen und dabei Tequila zu trinken (einige der Fotos musste ich bei der Bearbeitung nachschärfen, weil sie so verschwommen waren… haha, alter Fotografenwitz…). Nach einer weiteren Destillerie besuchen wir Tequila, die Stadt, der das Getränk seinen Namen verdankt. Überraschender- und ein wenig enttäuschenderweise ist Tequila nicht voller betrunkener Mexikaner, die mit Sombreros auf dem Kopf in der Sonne dösen. Abgesehen davon erfüllt sie allerdings die zentralen Klischees einer mexikanischen Kleinstadt: Es ist sonnig, es gibt einen zentralen Platz mit Kirche und schöne Malereien an diversen Wänden.
Ein Tag an Mexikos größtem See
Den nächsten Tag verbringe ich in der angenehmen Gesellschaft von Maria, die gerade nach einem zweijährigen Aufenthalt in Laos nach Mexiko gekommen ist und ebenfalls im Hostel wohnt. Sie begleitet mich nach Chapala, einer Stadt am größten mexikanischen See, etwa eine Dreiviertelstunde von Guadalajara entfernt. Der Chapalasee ist ein beliebtes Touristenziel – obwohl man abgesehen von einer recht teuren Bootsfahrt zur Insel im See nicht besonders viel auf oder im Wasser machen kann. Allerdings ist die Stadt Chapala (angeblich benannt nach dem letzten Häuptling der dort sesshaften Ureinwohner Mexikos) selbst einen Ausflug wert. Bewegt man sich etwas abseits der Haupt-Touristenstraße wird es sehr ruhig und man wird mit schönen Häusern und Kopfsteinpflaster-Straßen belohnt. Selbst die Hunde respektieren die Ruhe und bellen (untypisch für Mexiko) nicht jeden Ankömmling schon aus der Ferne an. Der See selbst ist gut besucht – wer allerdings nicht davor zurückschreckt, durch den Schlamm zu einer Jesus-Statue zu waten, hat eine schöne Sicht auf den See. Nach einem rundum schönen Tag kehren Maria und ich nach Guadalajara zurück und einen Tag später wartet bereits mein Bus nach Tulancingo auf mich. Dazu aber vielleicht mehr beim nächsten Mal.