Galapagos: Schlangen, Schildkröten und Luxus-Schiffe
Karge, graue Landschaft umgibt das Flughafengelände des Baltra Airports in Galapagos, der wichtigste Flughafen für rund 220.000 Besucher aus aller Welt, die den Galapagos-Inseln pro Jahr einen Besuch abstatten. Weht der Wind zu stark über den kurzen Runway des ehemaligen US-Militärflughafen müssen die Flugzeuge umkehren – doch wir haben Glück und landen unbeschadet im Land von Seelöwen, Riesenschildkröten und Albatrossen. Von denen ist allerdings vorerst nichts zu sehen; stattdessen sehen wir eine Schlange: Auch wenn die Galapagos-Inseln Teil von Ecuador sind, werden unsere Personalien noch einmal überprüft und alle Passagiere reihen sich brav ein für die Passkontrolle.
Flug + Eintritt = 520 Dollar
Es ist nicht einmal Mittag und für uns das sechste Mal Schlange-Stehen des Tages: Zum ersten Mal in Quito um unser Gepäck auf Tiere und Früchte kontrollieren zu lassen, die das natürliche Gleichgewicht auf den Inseln durcheinander bringen könnten, ein zweites Mal, um in Quito 20 Dollar Verwaltungsgebühr zu zahlen, danach um unser Gepäck einzuchecken und den Boarding Pass zu erhalten, anschließend an der Sicherheitskontrolle und danach beim Boarding – fünfmal anstehen auf dem Festland und nun noch einmal auf Baltra, um dort auch noch einmal 100 Dollar Eintritt für den Park (die gesamten Galapagos-Inseln sind ein Nationalpark) zu bezahlen. Gemeinsam mit den Flügen, die es ab Quito für Nicht-Ecuadorianer ab 400 Dollar gibt, sind das gute 500 Dollar pro Person, um das Flughafen-Gebäude auch nur verlassen zu dürfen – wo wir für Bus, Fähre und noch einen Bus, die uns in das rund eine Stunde entfernte Puerto Ayora bringen pro Person jeweils rund 11 Dollar pro Person zahlen – und natürlich jedes Mal wieder anstehen.
Vielleicht bin ich deshalb im ersten Moment enttäuscht, als ich die karge Vegetation der Isla Baltra aus dem Busfenster beobachte. Von Artenreichtum keine Spur, eher wirkt es, als wären wir in der Wüste Arizonas und das auch noch an einem bewölkten Tag. Doch nachdem wir mit der Fähre nach Santa Cruz übergesetzt haben ändert sich die Vegetation schlagartig. Wo eben noch gedungene Sträucher mit knorrigen Ästen am Straßenrand standen, stehen plötzlich große Palmen mit riesigen grünen Blättern; von einem Moment auf den anderen haben wir die triste Töne gegen die die grüne Pantone-Palette eingetauscht. Ein paar Meter weiter eine Mischung aus roter Erde und grau-weißen, stark verzweigten Bäumen, wieder etwas weiter eine fast europäisch anmutende Landschaft. Allein auf Santa Cruz gibt es laut Reiseführer sieben Vegetationszonen – mir kommt es so vor als führen wir am ersten Vormittag direkt durch alle davon.
Gestrandet in Puerto Ayora
Doch abgesehen von einer Schildkröte (von zugegebenermaßen beachtlichen Ausmaßen!) am Straßenrand kommen wir in den ersten Tagen kaum in Berührung mit der örtlichen Fauna. Stattdessen lernen wir gefühlt alle Travel Agencies von Puerto Ayora, der wichtigsten (und einzigen) Stadt in Santa Cruz kennen. Der Hintergrund: Wir wollen eine Kreuzfahrt über die Galapagos-Inseln buchen – vor Ort und last minute, denn wir vor unserer Reise haben wir einen Artikel gefunden, in dem behauptet wird, damit gut Geld sparen zu können. Statt am sonnigen Strand sitzen wir deshalb in muffigen Reisebüros um spanischsprachigen Reisevermittlern dabei zuzusehen, wie sie ihre Liste an Schiffseignern abtelefonieren um Erkundigungen zu Last Minute-Angeboten einzuholen und diese mit einem Angebot zu vergleichen, das wir in Quito erhalten haben. Ironischerweise stellt sich dieses Angebot im Nachhinein als das mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis heraus – aber dazu gleich mehr.
Immerhin verbringen wir auf Santa Cruz ein paar Minuten am Tortuga Bay, ein wunderschöner Strand, der zwar entgegen des Namens keine Schildkröten, dafür aber unsere ersten Iguanas und die beeindruckende Aussicht auf das Blau des südlichen Pazifiks bereithält – an diesem Strand können die Galapagos-Inseln durchaus mit dem schönen Meer von Cancún mithalten! Am nächsten Tag geht es mit dem Speedboat nach San Crístobal, die zweite der drei größeren Inseln des Galapagos-Archipels. Um sieben Uhr morgens eine Stunde lang mit Höchstgeschwindigkeit über unruhige See – ich halte meinen Cowboy-Hut griffbereit um ihn im Zweifel als Auffangbecken für mein Frühstück verwenden zu können. Doch es geht alles gut und am nächsten Tag starten wir in San Crístobal eine 360-Grad-Schnorchel-Tour. Es ist unser erstes Reise-Highlight und nach dem anstrengenden Einstieg eine willkommene Abwechslung. Mit einem 10-Personen-Boot umkreisen wir San Crístobal und genießen unter Wasser im Neopren-Anzug den Blick auf schwimmende Schildkröten, Stachelrochen und Fische in allen Farben – sogar kleinere Haie kreuzen unseren Weg. Unser Guide behauptet, sogar einen Hammerhai erspäht zu haben, was ich persönlich für Marketing halte, aber wer weiß? Zum ersten Mal gehen wir sehr zufrieden nach Hause: Wer mit Schildkröten schwimmt, ist zumindest nicht umsonst nach Galapagos gereist.
Artenvielfalt im Alltag
Mittlerweile haben wir uns für eine Kreuzfahrt entschieden und stehen nun vor dem Problem, den vollen Reisepreis in bar zahlen zu müssen oder eine rund zwanzigprozentige Gebühr für die Zahlung per Kreditkarte in Kauf zu nehmen. Wir entscheiden uns für die erste Variante. Statt den Seehunden und Pinguinen der Galapagos-Inseln nachzuspüren, begeben wir uns daher auf die Suche nach einer besonders komplexen Lebensform der Inseln: dem Galapagos-Bankomat. Von Natur aus scheu und menschenunfreundlich, versteckt sich diese Spezies gerne abseits der großen Straßen in für Menschen nur schwer zugänglichen Bereichen der Inseln. Im Laufe der Jahre haben sich durch einen Prozess natürlicher Selektion leicht verschiedene Varietäten herausgebildet, die man auf den ersten Blick für baugleich halten könnte, durch intensive Beobachtung lassen sich allerdings geringe Unterschiede feststellen; so lässt beispielsweise der gewöhnliche Banco Pacifico nur Abhebungen bis 200 Dollar bei einer Gebühr von 3 Dollar zu, während der seltene Banco Pichincha Abhebungen bis zu 500 Dollar ganz ohne Gebühren ermöglich, dafür aber endemisch auf Santa Cruz ist. Ich spiele mit dem Gedanken, diese Eigenarten in einem kleinen Buch zu sammeln um möglicherweise Rückschlüsse auf das internationale Bankensystem ziehen zu können – aber mir fällt kein knackiger Titel ein.
Luxus pur auf der „La Pinta“
Im Rückblick beginnt unsere Galapagos-Reise so richtig erst in dem Moment, in dem wir an Bord der La Pinta gehen. Das 48-Personen-Schiff ist für 6 Nächte unser Zuhause – und was für ein Zuhause ist das! Die Reisevermittlerin in Quito hat von einem Schiff der Luxusklasse gesprochen und nicht untertrieben. Uns erwartet eine geräumige Kabine, die sich auf wundersame Weise jedes Mal von selbst reinigt wenn man den Raum verlässt, ein großer Speisesaal in dem dreimal am Tag so hervorragendes Essen wartet, dass ich mich im Souvenirladen an Bord nach XXL-Badehosen umschauen muss und nicht zuletzt eine herausragend freundliche Crew. Wir haben Glück und setzen uns am ersten Abend zu Allyson und Omar an den Tisch, ein ecuadorianisches Pärchen in unserem Alter. Omar arbeitet für die Muttergesellschaft von La Pinta und weiß einiges über die Abläufe an Bord zu berichten, seine Verlobte Allyson sieht ein bisschen aus wie eine südamerikanische Scarlett Johansson und zeichnet sich durch ein freundliches Wesen und große Aufmerksamkeit aus. Ansonsten sind die Reisenden an Bord durchmischt: Viele Ruheständler aus den USA, eine wohlhabende australische Familie mit zwei berufstätigen Kindern, die hier ihren Familienurlaub verbringen, ein vermutlich isländisches Pärchen das meistens für sich bleibt, ein mysteriöser Selfmademan aus dem Silicon Valley in etwa unserem Alter – und wir. Gemeinsam verbringen wir die nächsten Tage auf der La Pinta.
Galapagos-Guides: Dolmetscher für die Natur
Wenn ich sage, dass unsere Reise so richtig mit dem Betreten der La Pinta beginnt, hat das folgenden Hintergrund: In meinem Kopf hatte ich die Vorstellung, auf den Galapagos-Inseln anzukommen und quasi direkt mitten im Nationalpark zu sein, gewissermaßen nur meine Kamera auspacken zu müssen und alles fotografieren zu können, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Das ist nicht der Fall. Puerto Ayora ist ein typischer, kleiner, lateinamerikanischer Küstenort, auf unserer Reise am ehesten vergleichbar mit Rio Lagartos, nur mit weniger Flamingos und mehr Darwin-Statuen, und auch San Crístobal ist nicht groß anders. Das soll nicht heißen, dass man nicht von den jeweiligen Anlegestellen aus Seelöwen in der Sonne liegen oder im Wasser spielen sehen kann – man kann! – aber das Feeling, mitten in der Natur auf Darwins Spuren zu wandeln – das kommt erst auf, als wir mit der Crew der La Pinta und den drei hervorragenden Nationalpark-Guides Ausflüge an Land unternehmen. Oder eben Snorkeling Gear anlegen und die Vielfalt unter Wasser beobachten. Bereits am ersten Abend macht Daniel, der Expedition Leader, klar, was die Aufgabe der Guides ist: Die Natur für die Besucher zu übersetzen. Dieser Aufgabe kommen sie mit großer Sorgfalt nach und nach einer Weile kennen wir nicht nur den Unterschied zwischen Turtle (im Wasser) und Turtoise (an Land), sondern erkennen auch, dass ein Kaktus auf der einen Insel die Stacheln nach oben richtet (keine Fressfeinde) und auf der anderen nach unten (Schildkröten und Iguanas mit Cactus-Craving). Außerdem erreichen wir mit dem Schiff Orte auf den Inseln, die sich zu Fuß oder per Taxi einfach nicht erreichen lassen, sondern eben nur zu Wasser – und das mit dem zusätzlichen Luxus, dass überwiegend nachts navigiert wird, der Tag also für Erkundungen zur Verfügung steht.
Goodbye, and thanks for all the fish
Und diese Möglichkeit wird genutzt: Jeden Morgen weckt uns um viertel vor sieben der Wake Up Call, jeden Morgen wartet ein Frühstücksbuffett mit frischem Rührei, Früchte-Auswahl und wahlweise American Pancakes oder ecuadorianischen Leckereien, jeden Morgen starten wir um acht Uhr eine Tour auf einer der vielen Galapagos-Inseln. Nach einem Besuch des tierreichen North Seymours nehmen wir die westliche Route über die zweitjüngste und größte Galapagos-Insel Floreana. Morgens beobachten wir Tiere an Land – Riesenschildkröten, Seelöwen, Iguane, den (warum auch immer) berühmten blaufüßigen Tölpel sowie weitere Arten – mittags beobachten wir Tiere im Wasser: Schildkröten, Rochen, Oktopusse, Haie und Delfine. Teilweise sind es die gleichen Tiere, die wir morgens an Land beobachtet haben, die wir nachmittags beim Fressen (Iguane) oder Spielen (Seelöwen) beobachten können. Besonders die Seelöwen versprühen gute Laune: Sie denken nicht daran, sich an die 2-Meter-Abstand-Regel des Nationalparks zu halten und schwimmen bis auf wenige Zentimeter an uns heran. Am letzten Abend treffen wir gar auf eine Schule Delfine, plötzlich sind wir mit drei kleinen Dinghys inmitten von 40-50 Delfinen, die neben uns auf dem Wasser auftauchen, abwechselnd Finne und Rücken zeigen oder gleich ganz aus dem Wasser springen – um grazil wieder im kühlen Nass zu verschwinden.
Dennoch: Auf der Rückfahrt durch die karge Landschaft von Baltra fühle ich mich nicht unwohl dabei, die Galapagos-Inseln wieder zu verlassen. Nach sieben Tagen an Bord droht der Luxus zu viel zu werden und auch die Eigenarten mancher Passagiere treten deutlicher zutage. Natürlich tut es weh, die beeindruckende Natur und nicht zuletzt drei Mahlzeiten hinter sich zu lassen – aber gleichzeitig brennt es mir aber unter den Nägeln, wieder Städte und Menschen zu sehen und die Reise Richtung Süden fortzusetzen. Dann zwar vielleicht nur mit Müsli statt mit Rührei und Pancakes zum Frühstück – aber dafür in eigener Regie und mit eigenem Programm. Dennoch: Die Zeit auf der La Pinta gehört schon jetzt zu den schönsten Reise-Erlebnissen aus Südamerika – umso gespannter bin ich auf das, was nun kommt!