Hajo, Düsseldorf: Augen auf!

Mein erster Interviewpartner gehört zu dem angenehmen Schlag Menschen, die nicht viel Aufheben um sich selbst machen, sondern lieber ihre Arbeiten für sich sprechen lassen.

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Hajo, Düsseldorf: Augen auf!

Mein erster Interviewpartner gehört zu dem angenehmen Schlag Menschen, die nicht viel Aufheben um sich selbst machen, sondern lieber ihre Arbeiten für sich sprechen lassen. So kommt es, dass ich Hajo Müller erst kennen lerne, nachdem ich bereits rund anderthalb Jahre bei der Kommunikationsagentur GREY arbeite.

Pen, Paper, Post

Und selbst da noch nicht als Fotograf, sondern als Illustrator – was durchaus seinem beruflichen Werdegang entspricht: 1965 in Düsseldorf geboren, beginnt Hajo nach der Schule ein Studium als Grafikdesigner in Trier, Schwerpunkt Illustration. Eine Lehrtätigkeit folgt und für neun Jahre bleibt er an der Mosel, bevor es ihn nach Berlin zieht. Dort wartet ein Job als Illustrator – Animation, ganz klassisch „mit Blättern, wie es damals war – Trickfilm eben“, sagt Hajo. Nach zwei Jahren Berlin geht es zurück in die Heimat, nach Düsseldorf – zu GREY.

Die ersten Jahre in Düsseldorf sind von Illustrationen – insbesondere von Storyboards für diverse Kunden – geprägt. Werbung, ganz klassisch. Auf die Dauer reicht das Hajo das nicht. Seine Illustrationen können mehr als Werbung für Waschmittel machen. Neben seiner eigentlichen Arbeit realisiert er diverse Projekte und verfeinert seinen Stil. Aus Begeisterung für die Musik von Steven Wilson tritt er an den britischen Musiker heran. Einfach so per Post schickt Hajo ihm Beispiele von seinen Arbeiten und hofft, dass Steven Lust auf eine Zusammenarbeit hat – weil das doch gut passen müsste. Es passt. Hajo kreiert das Artwork für ein Album, es folgt die Geschichte für das Musikvideo „Drive Home“, aus dem nachher sogar ein Videospiel wird. Daneben ein gemeinsames Buch, „The Raven that refused to sing“ (Deluxe Edition), für das Hajo Konzeption, Design, Illustration und Fotografie übernimmt. Parallel wird Hajo zweimal in Folge von Lürzer’s Archiv als einer der „200 best illustrators worldwide“ ausgezeichnet und steigt bei GREY zum Head of Illustration auf.

Illustration für das Storyboard von "Drive Home" (Copyright: Hajo Müller)

Das Außergewöhnliche im Blick

Neben seinen Erfolgen als Illustrator kommt vor rund zehn Jahren die Fotografie als Steckenpferd dazu. Aus Faszination für die Möglichkeiten des Mediums, aber auch aus Faszination für die Motive: Musiker, Menschen sowie urbane Landschaften und Street Art. Besonders den Stills sieht man an, dass sie von einem Illustrator aufgenommen wurden. Aber auch bei Portraits: Hajos Ziel ist nicht das Abbild der Realität, sondern ihre Interpretation. Im Laufe der Jahrzehnte fotografiert er bei GREY hunderte Mitarbeiter, auch mein Foto hier auf Weltkugelschreiber stammt von ihm.

Vor zwei Jahren macht er sich mit seiner Arbeit für Terre des Femmes dann auch als Fotograf einen Namen. Eine Kampagne zur Aufklärung über das schwierige Thema Genitalverstümmelung bei Frauen setzt er fotografisch einzigartig um: Ein geschlossenes Auge wird von ihm fotografiert, als sei es ein Geschlechtsteil – bis sich plötzlich das Auge öffnet. Open Your Eyes heißt die Kampagne, die international über 30 Awards gewinnt. Wie viele seiner anderen Arbeiten ist auch diese Kampagne für Hajo vor allem eine Herzensangelegenheit: Er findet das Thema wichtig. Und er weiß, wie er es inszeniert.

Kurz vor meiner Abreise nach Lateinamerika treffe ich mich mit Hajo für ein Interview. Auf ihn wartet ebenfalls ein großes Abenteuer: Nach rund 20 Jahren als Head of Illustration bei GREY ist er demnächst als selbstständiger Fotograf und Illustrator tätig. Was vermutlich heißt: In Zukunft werden wir von Hajo noch mehr sehen als bisher!

Auf der Suche nach Motiven: Hajo im Düsseldorfer Medienhafen

Interview: „Ein Bild sollte der Start einer Geschichte sein“

Ich treffe mich mit Hajo kurz nach der Arbeit für ein Interview, im Anschluss gibt es ein Abschiedsessen mit Kollegen. Wir fahren zu zweit in den Düsseldorfer Medienhafen – aber nicht auf die „Medien“-Seite mit dem Fernsehturm, den Gehry-Häusern und den Agenturen, sondern auf die „Hafen“-Seite, wo die Schiffe ihre Container verladen. Auf dem Weg dorthin stelle ich ihm meine Fragen.

Weltkugelschreiber: Du bist in erster Linie Illustrator. Wie kam es zur Fotografie?

Hajo: Die Fotografie ist eigentlich so richtig erst in den letzten zehn Jahren Stück für Stück dazu gekommen. Ich fand es immer faszinierend, habe aber die Kurve selber lange nicht bekommen. Es ist interessant, Illustration und Fotografie zusammen zu bringen, also auch in Mischform zu arbeiten. Außerdem habe ich mich schon ewig massiv für Musik und besonders Rockmusik interessiert. Es war immer schon ein kleiner Traum von mir, mit diesen Leuten zusammen zu arbeiten. Illustrativ, aber auch fotografisch: Die Musiker zu porträtieren, sie auf der Bühne zu zeigen. Das war für mich die Motivation, mit der Fotografie anzufangen. Und mich Stück für Stück immer mehr reinzuarbeiten.

Copyright: Hajo Müller
Ich habe Bilder gesehen, die ich toll fand. Von Musikern, die ich toll fand. Da habe ich dann gedacht: „Sowas will ich auch!“. Ich will irgendwie dabei sein, ich will irgendwie auch Bilder von denen machen.

Weltkugelschreiber: Was hat dich dazu bewegt zu sagen, Fotos finde ich spannend? Im Gegensatz zu Illustration oder anderen Kunstformen?

Hajo: Fotografie ist für mich im Vergleich zur Illustration eine andere Sache, um Momente festzuhalten. Ich finde jede Form von Skizze toll, und ich finde diese Form auch unterstützenswert. Aber wenn wir über Musik reden: Es hätte mich nie befriedigt neben einem Musiker zu sitzen und Porträtskizzen von ihm zu machen. Mich hat es immer fasziniert, dass Fotografen, die ich bewundere, Teil eines kreativen Prozesses wurden – zum Beispiel Anton Corbijn oder Peter Lindbergh. In diesem kreativen Prozess werden Momente erfasst, in denen man von den Musikern einfach etwas mitbekommt.

Klar in früheren Zeiten hat man das mit Malerei gemacht. Da gibt es auch ganz furchtbar beeindruckende Sachen. Aber Fotografie hat einen anderen Stellenwert – auch weil es spontanere Momente sein können. Das hat mich sehr motiviert. Bei anderen Fotografen habe ich Bilder gesehen, die ich toll fand. Von Musikern, die ich toll fand. Da habe ich dann gedacht: „Sowas will ich auch!“. Ich will irgendwie dabei sein, ich will irgendwie auch Bilder von denen machen.

Steven Wilson (Copyright: Hajo Müller)

Ich bin sehr froh, dass ich mittlerweile fotografisch auf einem Level angekommen bin, auf dem ich das Vertrauen von Leuten habe, die mich konkret anfragen. Und zwar genau in dem Bereich, von dem ich gerade gesprochen habe, also aus der Musik. Generell: Wenn einem Leute vertrauen, die man porträtiert, ist das eine sehr schöne Sache.

Das hat mich einfach zurückgeschlagen, das hat enorm reingehauen.

Weltkugelschreiber: Ich habe dich kennengelernt über die Arbeit, die du für Terre des Femmes gemacht hast. Das ist ein ganz anderer Bereich. Ich habe dich noch nie gefragt: Wo kam diese Idee eigentlich her? Kam die von dir?

Hajo: Die Idee für Terre des Femmes, also die Augen so darzustellen, dass man sie auf den Kopf dreht und dass es eben so aussieht wie ein zugenähtes Genital, kam von unserem Kreativdirektor, dem Aleco (Alexandros Antoniadis, Creative Director bei GREY Düsseldorf). Allerdings lag diese Idee schon eine ganze Weile auf Halde und zu dem Zeitpunkt war es nur ein Stockfoto – ein Auge eben, das gedreht war. Deshalb war man offen dafür, wie man die Idee inszeniert, so dass es richtig rüberkommt. Aleco hat mir dabei dankenswerterweise jede Freiheit gelassen, weil ich gesagt habe, dass ich es gerne machen würde. Weil es ein wichtiges Thema ist – kein schönes Thema, aber ein wichtiges Thema ...

Weltkugelschreiber: … Genitalverstümmelung bei Frauen.

Hajo: Genau. Ich hatte eine Idee, wie ich das inszenieren kann. Die nur mit Licht und Schatten und mit zwei, drei anderen Details funktioniert, ohne das Auge zu verändern. Und wirklich beeindruckend aussieht. Ich habe Aleco demonstriert, wie ich es meinte. Das hat gut funktioniert. Der Rest war dann ...

Weltkugelschreiber: ... es hat eingeschlagen. Ich weiß nicht, wie viele Awards es gewonnen hat, aber im zweistelligen Bereich, oder?

Hajo: Über dreißig. Es war auch auf den wichtigsten Festivals, was Werbung angeht, in New York, in Cannes – es hat wirklich massiv eingeschlagen.

Open Your Eyes für Terre des Femmes (Copyright: Hajo Müller)

Weltkugelschreiber: Und du sagst, du hast mit Licht und Schatten gespielt. Was heißt das? Wie bist du an die Fotos herangegangen?

Hajo: Also zunächst mal ist es so, es natürlich passen muss. Das auf jeden Fall. Für solche Themen mag ich eine gewisse Form von Licht-und-Schatten-Dramaturgie. Und Dramaturgie kann man wörtlich nehmen, weil es ja wirklich dramatisch ist.

Vor einigen Jahren, gab es eine Kampagne, die nicht nur mit weiblicher Genitalverstümmelung zu tun hatte, sondern auch mit diversen anderen Sachen – das war, glaube ich, eine UNICEF-Geschichte. Bei der wurden sehr stark kontrastige, sehr harte Schwarz-Weiß-Bilder aufgenommen, die aber gleichzeitig eine ganz hohe Ästhetik hatten. Ich habe mich daran erinnert, dass ich da mal an einem Plakat vorbeigefahren bin, auf dem man eben in diesen starken Schwarz-Weiß-Kontrasten ein ganz ästhetisches Foto gesehen hat. Von einer verrosteten Schere mit Wassertropfen und so weiter. Da ich immer neugierig bin, was Bilder angeht, bin ich zu der Plakatwand hin. Unter dem Bild stand ein Text, den ich nicht mehr hundertprozentig zusammenkriege, aber im Prinzip etwas wie: „Wer bei dieser Schere an Villeroy und Boch denkt, hat noch nie die Schreie eines Mädchens gehört, dem mit einer Schere die Scham aufgeschnitten wird.“ Das hat mich einfach zurückgeschlagen, das hat enorm reingehauen.

Aber die Inszenierung – das war dann so ein bisschen das Vorbild. Also wusste ich, dass man mit relativ starken Kontrasten arbeiten muss. Und dann wie so ein Spot, fast schon wie medizinisches Licht, das Ganze auf die Hauptstelle, also auf das Auge, konzentriert. 

Und um das noch zu pushen, ohne dabei das Auge zu verformen, waren die Leute, die sich zur Verfügung gestellt haben, alle völlig ungeschminkt. Mit einer Ausnahme: Alle hatten Mascara, also Wimperntusche drauf, auch die Männer. Durch die Wimperntusche wurden die Wimpern dicker. Wenn man das fotografiert, dann haben die Wimpern im Close-Up etwas Voluminöses bekommen – auch mit kleinen Lichtreflexen auf den Wimpern. Sie waren einfach einen Tick dicker als die normalen Haare – und das hat die Anmutung von Fäden gegeben.

Weltkugelschreiber: War das geplant? War dir vorher klar: „Das könnte funktionieren“? 

Hajo: Ja. Das war schon geplant. Wir haben von Anfang gesagt: „Auf jeden Fall ungeschminkt“, und das mit der Wimperntusche haben wir relativ schnell festgestellt. Dann muss man eigentlich in der Post, also in der Nachbearbeitung, diese Steilvorlage durch das reguläre Bild nur noch nutzen. Also den starken Kontrast, die Fokussierung durch den Ringblitz, die kleinen Lichtreflexe auf den Wimpern – das musste nur noch betont und farblich einen Tick angepasst werden. Dann war man relativ schnell bei den Bildern, die es jetzt sind.  

Man merkt sicher, dass ich aus der Illustration komme. Dass ich einen anderen Umgang habe, mit Farbe, mit dem Bild grundsätzlich. Meine Bilder haben oft auch etwas malerisches.

Weltkugelschreiber: Ich weiß, dass du sehr gerne mit Kontrasten arbeitest und auch die Farben teilweise so ein bisschen unnatürlich wirken lässt ... 

Hajo: ... überdrehst ... 

Weltkugelschreiber: Ob das jetzt ein bisschen dunkel ist, oder ob das quietschebunt ist. Ist das dein Stil? War das einfach Trial and Error? Oder hast du irgendwann gesagt: „So gefallen mir die Bilder“? 

Hajo: Also einerseits kommen da natürlich auch die Vorbilder wieder rein. Das andere ist, dass mich in den meisten Fällen das reine Abbilden nicht so wirklich interessiert. Würden wir uns jetzt hier hinstellen und dieses Haus, so wie es da ist, einfach abfotografieren. Was du auf der Kamera siehst, entspricht ja dann nicht dem Bild, das du siehst. In der Regel ist es in der Kamera dann blasser, heller, dunkler, was auch immer. 

(Copyright: Hajo Müller)

Daher sind es für mich zwei Sachen. Zum einen merkt man sicher, dass ich aus der Illustration komme. Dass ich einen anderen Umgang mit Farbe habe, mit dem Bild grundsätzlich. Meine Bilder haben oft auch etwas malerisches.

Dann ist es so, dass meine Vorbilder in der Regel auch mit Kontrasten arbeiten. Aber eigentlich geht es immer darum, über die Bildmittel, bestimmte Dinge zu betonen. Ob das nun Farben sind oder Kontraste. Es gibt Bilder, die ich bewusst sehr, sehr weich anlege, weil es zum Inhalt besser passt. Und dann gibt es eben andere, wenn ein Musiker auf der Bühne den Larry macht – da passt dann auch ein harter Kontrast wirklich gut, weil es eben auch schmutziger ist. So dass man diese Dynamik mitbekommt. Also geht es letztlich immer darum, das was man haben will, zu betonen. 

Ich fotografiere gerne so, dass das Bild nachher so aussieht, wie ich es empfunden habe. Und nicht, wie die Realität es dargestellt hat. Also wenn ein Musiker auf der Bühne eine Wucht hatte, dann möchte ich diese Wucht in den Bildern auch merken. Das möchte ich spüren. Und das hat man normalerweise nicht, wenn man einfach nur 1:1 abfotografiert.  

(Copyright: Hajo Müller)

Weltkugelschreiber: Und das machst du dann im Wesentlichen über die Post? 

Hajo: Das mache ich im Prinzip schon über die Post. Wobei die Post nichts anderes ist, als das, was man früher mit Abzügen gemacht hat, mit vielleicht zwei-drei Erweiterungsmöglichkeiten. Einen Abzug von einem Schwarz-Weiß-Bild ziehst du ja auch nicht immer gleich ab. Du kannst ganz weich abziehen oder du kannst ganz hart abziehen, so dass du diesen harten Kontrast hast. 

Und natürlich suchst du schon von Anfang an nach einer Situation, die lichtmäßig so ist, dass du nachher so wenig wie möglich machen musst. Und manchmal passiert es einem ja auch tatsächlich, dass sich eine Situation für bestimmte Modifikationen anbietet.  

Mich persönlich interessieren Sachen, die im ersten Augenblick nach nichts aussehen. Die aber, wenn man ihnen einen gewissen Rahmen gibt, auf einmal ziemlich beeindruckend aussehen können.

Weltkugelschreiber: Das heißt dann auf Basis des Materials entscheiden, was kann ich mir eigentlich vorstellen, was funktioniert dann? Oder ist es eher so wie wir jetzt unterwegs sind: Das Licht ist ein bisschen hart, dann richte ich die Bilder danach aus? 

Hajo: Ne, für mich ist eigentlich eher wesentlich: Was will ich hinterher haben? Das heißt ich habe schon eine relativ genaue Vorstellung, zumindest vom Gefühl her, was rüberkommen soll. Ich komme wie gesagt aus der Illustration und bin ein Bewunderer von diversen großen Malern. Ich mag zum Beispiel das Hopper-Licht sehr gerne, in dessen Malereien starke Schlagschatten sind. Und wenn wir bei einem Licht unterwegs sind wie heute, wo es feucht ist ist und ein bisschen diesig, geht es darum, Gelegenheiten zu finden, in denen man das fotografisch auch so wiedergeben kann. Sicherlich auch mithilfe der Post hinterher. Wenn man nicht gerade eine Lichtanlage hat, mit der man durch die Gegend ziehen kann.  

Weltkugelschreiber: Okay, ich verstehe ... 

Hajo: Also ich gebe mal ein anderes, konkretes Beispiel. Ich habe letztens eine junge Autorin fotografiert. Von Anfang an war mir klar, dass ich sie durch Scheiben fotografieren wollte. Auf einem Bild sitzt sie in einem Café, also sehr entspannt, aber die Reflexionen zeigen eine Straße mit Autos. Das gibt dem Bild etwas Urbanes, was eben gut passt. Und die Klamotte war eher etwas zurückhaltend, so dass die Reflexionen sich schön entwickeln konnten. 

Wir sind dann hinterher für ein anderes Foto in einen Park gegangen. Ich bin jetzt leider botanikmäßig sehr schlecht, aber da war ein großer Baum, mit mehr oder weniger lila Blättern. Und sie hat dunkle Haare, helle Haut, große Augen und hatte ein rotes Oberteil an. Wenn man sie dann einfach davorstellt sieht man natürlich auch noch das Grün der Wiese – aber das Schöne war eigentlich der Kontrast zwischen der hellen Haut, dem Oberteil und diesen dunkel-lila Blättern. Diese Farben habe ich hinterher in dem fertigen Bild sehr betont, so dass sich das sehr entsprochen hat. Das Grün der Wiese habe ich dagegen fast eliminiert, weil es für das Auge ein schon fast unangenehmer Kontrast gewesen wäre. 

(Copyright: Hajo Müller)

Und was ich in dem Fall wichtig fand: Die Intention bei der ganzen Geschichte. Also nicht nur, dass es ein schönes Farbspiel war, sondern diese Autorin ist schon optisch eine sehr weibliche Frau, die etwas Weiches, etwas Warmes hat. Die Farben waren dann dementsprechend – also etwas Weiches, etwas Warmes. So dass sie die Weiblichkeit unterstrichen haben. Das fand ich in dem Fall wichtig.  

Ich würde niemals anfangen, nach einem Stil zu suchen. Weil das bringt nix. Sondern man sollte sich überlegen: Was mag ich?

Weltkugelschreiber: Bevor wir jetzt hier einbiegen, noch eine Frage: Warum sind wir in den Düsseldorfer Medienhafen gefahren? 

Hajo: Weil ich hier schon ein paarmal war, meistens mit Leuten, bei deren Fotos ich das Ganze als Hintergrund genommen habe. Ich persönlich mag dieses Industriehafte ganz gerne zum Fotografieren, auch wenn ich natürlich bei Weitem nicht der Einzige bin. Es kann sehr schnell etwas Abstraktes bekommen, je nachdem, wie man es fotografiert. Wenn ich Stadtlandschaften fotografiere, interessieren mich persönlich Sachen, die im ersten Augenblick nach nichts aussehen. Die aber, wenn man ihnen einen gewissen Rahmen gibt, auf einmal ziemlich beeindruckend aussehen können.  

Weltkugelschreiber: Rahmen heißt Perspektive, Ausschnitt, etc.? 

Hajo: Ja, genau. Also vor allem der finale Ausschnitt ist wichtig. Wenn wir zum Beispiel an diesen Schiffscontainern vorbeifahren, sehen die im ersten Augenblick nicht sehr beeindruckend aus. Gut, die sind auch ein bisschen hoch für mich. Aber wenn man einen Ausschnitt nimmt, dass man davorsteht und die Container für sich isoliert, dass man diese seltsamen Metallteile hat, die dann das Bild komplett einnehmen. Ich weiß nicht, ob das hier wirklich funktionieren würde, aber das wäre so ein Beispiel: Man schaut eigentlich gar nicht hin, und auf dem Fotos sieht sieht das Ganze auf einmal beeindruckend aus. 

Yours truly – auf dem Fotoshoot mit Hajo im Hafen entstanden (Copyright: Hajo Müller)

Was deine Frage von soeben nach dem Stil angeht: Ich würde niemals anfangen, nach einem Stil zu suchen. Weil das bringt nix. Sondern man sollte sich überlegen: Was mag ich? Was mag ich auf Bildern? Was finde ich auf Bildern schön? Was beeindruckt mich an Bildern? Mag ich stark kontrastige Sachen? Mag ich farbige Sachen? Mag ich eher zurückhaltende Sachen? Mag ich einen ruhigen Aufbau? Mag ich Durcheinander? Was mag ich? 

Und: Was will ich mit den Bildern ausdrücken? Oder will ich gar nichts ausdrücken? Will ich einfach nur dokumentieren? Ich finde nicht, dass man das Bild bis in jedes Detail planen muss. Aber für mich muss man zumindest eine Ahnung, eine Idee haben von dem haben, was man abbilden möchte. Weil danach suchst du dir die Motive. Es gibt natürlich auch Motive, die einen anspringen, aber du guckst dann schon anders. 

Da basteln natürlich auch berühmte Leute jahrelang dran, so ganz einfach ist das jetzt nicht. Aber ich denke es ist wichtig, dass man den Dingen, egal was es ist, einen Raum gibt, in dem sie sich entwickeln können. Dass man bestimmte Sachen fokussiert. So dass man das Gefühl hat, das ist jetzt einerseits ein Bild – aber es könnte einem auch eine Geschichte erzählen. Oder der Start einer Geschichte sein.

(Copyright: Hajo Müller)

Wenn du zum Beispiel sagst, dass dich Weite interessiert, dann verbindest du ja auch etwas damit. Und dann sollte man versuchen, nicht nur diese Weite als pures Bild, als Abbild darzustellen. Sondern in meinen Augen auch schauen: Wie kann ich das jetzt final umsetzen? In Schwarz-Weiß? In Farbe? Mehr Kontrast, weniger Kontrast, was auch immer – wie kann ich das jetzt umsetzen, um das Gefühl was ich damit verbinde auch für andere sichtbar zu machen? Dann fängst du automatisch an, ein Ziel zu entwickeln. Weil du dann Vorlieben rein bringst.

Weltkugelschreiber: Gut - dann schnappen wir uns die Kamera und gehen mal ein bisschen raus. 

Hajo: Gehen wir raus!  

(Das Interview ist zur besseren Verständlichkeit leicht bearbeitet.) 

„Mich persönlich interessieren Sachen, die im ersten Augenblick nach nichts aussehen. Die aber, wenn man ihnen einen gewissen Rahmen gibt, auf einmal ziemlich beeindruckend aussehen können.“ (beide Fotos Copyright: Hajo Müller)

Weiter geht's!

Hajo hat im Moment keine Website, aber viele seiner Fotos findet ihr auch über seine Facebook-Profil. Außerdem könnt ihr so Freunde werden, ist das nicht toll? :) 

Derzeit arbeite ich an einer Serie mit Interviews mit Fotografen und interessanten Menschen aus aller Welt. Hier kannst du dir alle Interviews ansehen. 

Vielleicht interessiert dich ja mein Interview, das ich in Cancún, Mexiko mit dem Fotografen José geführt habe. Das Interview ist auf Englisch, aber es lohnt sich – versprochen!



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